„Hier ist die Welt schon in Ordnung“

Lingener Unternehmen plant Tiny-House-Siedlung mit unabhängiger Energieversorgung

Lingen, 7. Februar 2023. „Hier ist die Welt schon in Ordnung“, sagt Bettina Schaper vom gleichnamigen Projektentwicklungsbüro schmunzelnd. Dabei hat sie ein klares Bild vor Augen: Wohnen im Grünen, reduziert auf weniger als 30 Quadratmeter und dennoch komfortabel. Mit unabhängiger und emissionsfreier Energieversorgung dank modernster Wasserstofftechnologie. Was wie eine Vision klingt, könnte in Lingen bald real werden. Und zwar zunächst als Pilotprojekt.

„Die Nachfrage nach kleinen, innovativen Wohnformen nimmt zu“, davon sind die Projektentwickler Bettina und Michael Schaper überzeugt. Für sie bedeutet zukunftsorientiertes Bauen aktuelle und künftige Bedarfe zu erkennen und auf Nachhaltigkeit zu achten, also auf „sparsamen Flächenverbrauch, möglichst geringe Bodenversiegelung und vor allem auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen.“ Deshalb setzen sie auf Projekte, bei denen von allem weniger gebraucht wird, wie zum Beispiel bei der von ihnen geplanten Tiny-House-Siedlung. Um die Ansprüche von Tiny-House-Bewohnern zu ermitteln, haben sie eine Marktanalyse durchgeführt. Demnach sind die wesentlichen Ansprüche „überschaubare Anschaffungskosten, Wohnen im Einklang mit der Natur und eine autarke Energieversorgung“. Die Projektentwickler haben bereits einige Ideen für ganze Tiny-House-Dörfer und für mögliche Standorte. Beginnen möchten sie mit einem Pilotprojekt in Lingen. „Wir wollen zusammen mit verschiedenen Partnern eine Tiny-House-Siedlung mit eigener Energieversorgung mithilfe von selbst erzeugtem grünem Wasserstoff errichten.“

Dr. Tim Husmann (l.), Geschäftsführer der Energy Hub Emsland Entwicklungsgesellschaft und Dr. Torsten Berning (r.) Dozent an der Universität Aalborg (Dänemark) halten die Idee der Tiny-House-Siedlung von Bettina und Michael Schaper (Schaper Wohnkonzept) für zukunftsweisend.

Selbst erzeugter grüner Wasserstoff als Energiespeicher für zehn Tiny Houses

Schapers Plan sieht vor, auf einem Grundstück in Lingen zehn eigenständige, 25 Quadratmeter große Tiny Houses so anzuordnen, dass sie sich in die vorhandene Struktur einfügen und der Baumbestand erhalten bleibt. Der Energiebedarf soll mit selbst erzeugten erneuerbaren Energien gedeckt werden. „Dafür wird eine komplette Versorgungsinfrastruktur aufgebaut“, so Michael Schaper. „Jedes der Häuser wird mit eigener Photovoltaikanlage zur Stromgewinnung und einer eigenen Batterie für die Energiespeicherung ausgestattet.“ Nachdem diese voll aufgeladen sei, werde der überschüssige Strom von einem Elektrolysesystem abgegriffen, um damit Wasserstoff zu erzeugen, der dann als langfristiger Energiespeicher genutzt werde. „Mittels einer zentralen Brennstoffzelle wird aus dem Wasserstoff wiederum Strom erzeugt, der leere Batterien wieder auflädt.“  Für diese Idee konnte Schaper seinen früheren Schulfreund Dr. Torsten Berning, Dozent an der Universität Aalborg in Dänemark, gewinnen. Der gebürtige Lingener forscht seit nunmehr 20 Jahren zum Thema Brennstoffzellen und Wasserstofftechnik. „Seit einiger Zeit befasse ich mich mit der Elektrolysetechnik“, berichtet der in Kanada promovierte Maschinenbauingenieur (PhD in Mechanical Engineering).

„Als ich meinen Studierenden des achten Semesters im Masterstudiengang Energy Technology die Projektidee vorgestellt habe, waren einige sofort interessiert, daran mitzuwirken“, so Berning. „Neun Studierende, aufgeteilt in zwei Gruppen, haben jeweils eine Machbarkeitsstudie durchgeführt.“ Dafür hätten sie den voraussichtlich künftigen Energiebedarf und die entsprechend nötigen Größen der Solarzellen und Batteriespeicher berechnet. „Beide Gruppen sind unabhängig voneinander zu dem Ergebnis gekommen, dass die Energieversorgung mithilfe von grünem Wasserstoff für das geplante Wohnkonzept in Lingen tatsächlich realisierbar ist“, berichtet Berning.

„Know-how aufbauen und das Konzept von Lingen in die Welt tragen“

Dr. Tim Husmann, Geschäftsführer der Energy Hub Emsland Entwicklungsgesellschaft vernetzt Wasserstoffakteure in der Region miteinander und er unterstützt Unternehmen bei ihren Aktivitäten rund um das Thema Wasserstofftechnologie. Er ist sehr angetan von der Projektidee, denn so würde das Thema Wasserstoff auch in der privaten Lebenswelt ankommen und Anwendung finden. „Ich bin sehr dafür, mithilfe eines solchen Testdorfes weiteres Know-how aufzubauen und auf diese Weise das Konzept von Lingen in die Welt zu tragen“, so Husmann. „Projekte wie diese tragen außerdem dazu bei, die Voraussetzungen zu schaffen, um die Klimaziele für Lingen und das Emsland zu erreichen.“

Entwurf der geplanten Tiny-House-Siedlung mit unabhängiger emissionsfreier Energieversorgung mithilfe von selbst erzeugtem grünem Wasserstoff als Energiespeicher.

Das Tiny-House-Konzept für Lingen steht, das Grundstück ist vorhanden und die Machbarkeit wissenschaftlich bestätigt. Was fehlt, ist ein entsprechender Bebauungsplan. Aktuell sind Bettina und Michael Schaper mit der Stadt Lingen im Gespräch, dieses innovative Bauprojekt planungsrechtlich umzusetzen. „Diese Tiny-House-Siedlung zu bauen, birgt die Möglichkeit, weiter zu forschen, und zwar nicht nur in der Theorie“, erläutert Bettina Schaper. „Uns geht es um eine Testumgebung für die Technologie und um eine Art Probewohnen, um zu ermitteln, was insgesamt und vor allem technisch zu verbessern ist.“ Das Pilotprojekt sei der Vorläufer für künftige Tiny-House-Dörfer in Gegenden mit viel Natur und ohne Infrastruktur. „Deshalb wollen wir sicherstellen, dass die Energieerzeugung, die Energiespeicherung und letztlich die Versorgung funktioniert“, so Michael Schaper. 

Angedacht sei, einige Häuser langfristig zu vermieten, andere für die touristische Nutzung anzubieten. Und darüber hinaus ist ein größeres Gebäude als Innovationszentrum Bau (IZB) geplant. Hier sollen Co-Working-Spaces für Freiberufler, Forschende und Studierende, die an dem Projekt mitforschen und mitwirken, entstehen. Auch die Firma Schaper Wohnkonzept wird ins IZB einziehen. Im Obergeschoss sind Mikroappartements geplant, die den Mitwirkenden das Wohnen in unmittelbarer Nähe ermöglichen. „So soll eine Art Campus entstehen, wo Ideen weiterentwickelt und Innovationen vorangetrieben werden“, so Michael Schaper. „Vielleicht ist dann an diesem Ort die Welt schon bald in Ordnung.“

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